Alte Oberlausitzer Bräuche zum Jahreswechsel

Die meisten feiern Silvester feucht-fröhlich, entweder im Kreise der Familie, mit Freunden oder auf einer öffentlichen Party. So zumindest war es, solange wir denken können. Voriges und auch dieses Jahr dagegen ist alles anders. Eines jedoch wird bleiben, dass uns gute Vorsätze und vor allem Glückwünsche von der Mitternachtsstunde ins neue Jahr begleiten. Früher allerdings zelebrierten die Menschen in der Oberlausitz zusätzlich allerlei Riten, um zu erfahren, was ihnen in den nächsten 12 Monaten bevorsteht. Ob die Orakel auf sicherem Boden standen, darf bezweifelt werden. Dennoch sind die Prophezeiungen oft eingetroffen, denn ein fester Glaube versetzt bekanntlich Berge. Also ihr Alten und ihr Jungen – warum nicht? Lasst Euch von unseren Vorfahren inspirieren und probiert zum Jahreswechsel das ein oder andere Spiel einmal aus!

Kommt Glück oder Unglück im neuen Jahr?

Ein Brauch, den viele noch kennen und zu Silvester praktizieren, ist das Bleigießen. Früher nahem die Menschen dazu einen Blechlöffel, gaben darauf ein Stück Blei und hielten das Ganze über eine breite Flamme. War das Blei geschmolzen, kippten sie es in eine Schüssel mit kaltem Wasser. Anschließend musste einer das erkaltete Gebilde deuten und sagen, was dem Betreffenden nächstes Jahr bevorsteht. Gut oder böse entsprang dabei nicht selten seiner Fantasie. Wer sich in unserer Zeit diesen Spaß machen möchte, sollte aber kein Blei verwenden. Vielmehr gibt es im Handel Sets zu kaufen, die mit Zinn bzw. Wachs funktionieren.

Zugegeben ist Bleigießen ein aufwendiges Prozedere. Es gab einfachere Methoden, sein Schicksal vorauszusagen, wie beispielsweise das Topf- bzw. Glücksheben. Dazu brauchte man lediglich drei kleinere Töpfe oder tiefe Teller. Unter einem versteckte jemand ein Stück Brot, unter dem anderen einen Kamm und unter dem Dritten ein Häufchen Lehm. Fand der Betreffende das Brot, bedeutete das Glück und Reichtum, entdeckte er dagegen den Kamm, musste er mit Armut rechnen und Lehm wies auf Krankheit oder sogar den Tod hin.

Was Letzteren betraf, hatten unsere alten Oberlausitzer übrigens makabere Spiele auf Lager, die zur Nachahmung keinesfalls geeignet sind. Beim Lichterschwimmen zum Beispiel bestückten sie Walnussschalen mit Lichtern und ließen sie in einer Schüssel schwimmen. Wessen Schale zuerst unterging, der starb im nächsten Jahr. Desgleichen derjenige, dessen Silhouette während des sogenannten Schattenrisssuchens ohne Kopf an der Wand zu sehen war. Dazu setzten sich die Silvestergäste hinter Kerzen, die dann schnell hintereinander angezündet wurden. Peinlich für den, der abergläubisch diese Spiele allzu ernst nahm.

Lustiger dagegen und zur Nachahmung sehr zu empfehlen: das „Nummer plumpen“. In eine mit Wasser gefüllte flache Schüssel wird (je nachdem 49-mal oder mehr) ein Geldstück geworfen. Die Gesellschaft zählt laut mit und alle wieder herausrutschenden Münzen bedeuten Glückszahlen. Wer mit ihnen im nächsten Jahr Lotto spielt, soll garantiert gewinnen. Diese frohen Botschaften, so wussten es die Altvorderen, funktionieren allerdings nur, wenn die Hausfrau zu Silvester Wohnung und Stall gründlich auskehrt. Ansonsten herrscht kommendes Jahr Chaos und Krankheiten stellen sich ein.

Wie steht es mit der Liebe im neuen Jahr?

Besonders die jungen (vielleicht auch die reiferen) Mädchen waren weniger an Krankheitsprognosen, dafür mehr an Liebesdingen interessiert. Zu diesem Zweck veranstalteten sie eine Reihe Spielchen, von denen sie Aufklärung in Herzangelegenheiten erhofften. Einige rannten deshalb Punkt Mitternacht zum Schuppen und luden sich einen Arm beliebig voll Holzscheite. Im stillen Kämmerlein zählten sie sie aus. War die Anzahl gerade, kam der Bräutigam nächstes Jahr, anderenfalls musste das Mädchen länger warten. Scheitelzählen nannten sie den Brauch, der ihnen Auskunft über das Wann, aber nicht über das Wie gab. Darüber klärte sie eher das Kränzelwerfen auf. Aus siebenerlei Material flochten sie zu diesem Behuf einen mittelgroßen Kranz, den sie kurz vor Mitternacht ins Geäst eines Baumes warfen. Groß war ihre Hoffnung, dass er dort hängen blieb. Dann nämlich würden sie, wie es sich in alten Zeiten gehörte, als unbefleckte Kränzelbraut vor den Traualtar treten. Ansonsten … na ja, reden wir nicht drüber! Im Laufe späterer Silvester jedenfalls muss der Kranz immer öfter runtergefallen sein und  die Mädchen haben den Brauch eines Tages aufgegeben.

Ebenfalls nicht unwesentlich schien die Frage, aus welcher Richtung der Zukünftige kommen würde. Um das zu erfahren, setzten sich am letzten Tag des Jahres Mädchen auf den Stubenboden und warfen ihren Pantoffel mit dem Fuß rücklings gegen die Tür. Wohin anschließend die Spitze wies – gen Ober- oder Unterdorf – daher sollte der Auserwählte kommen. Nicht dumm, so wusste die Betreffende wenigstes, wo sie am Neujahrstag spazieren gehen musste. Biss sie während ihrer Tour in einen noch sauren Apfel, zeigte ihr der erste Mann, den sie danach sah, den Stand ihres Bräutigams an. Günstig also, wenn sie gleich dem größten Bauern im Dorf begegnete.

Wollte ein Mädchen dagegen konkret wissen, wer nächstes Jahr ihr Liebster wird, musste sie sich in der Neujahrsnacht mit 12 Kerzen in der Hand vor einen Spiegel stellen. Bald danach würde der Zukünftige als Geisterbild hinter ihr erscheinen. Ursprünglich soll der Brauch aus dem Sorbischen kommen und die Deutschen haben ihn später übernommen. Vielleicht ist es nicht verkehrt, liebe Mädels, das Ritual Silvester mal wieder auszuprobieren. Zeit und Gelegenheit dazu ist genug …

Lesen Sie auch meine Bücher "Auf historischen Pfaden" durch die Oberlausitz

Spannend - Unterhaltsam - Emotional

Grundfoto Titelbild: Katrin Jähne, Adobe Stock