Schöngretchen hinterm Berge

Eckartsberg bei Zittau

Margarethe Otto war ein ausgesprochen hübsches Madchen. Mit 16 Jahren gerade den Kinderschuhen entwachsen, wohnte sie in Eckartsberg bei Zittau, wo ihre Eltern einen kleinen Bauernhof bewirtschafteten. Fast alle Burschen im Umland wussten von ihr. Unter ihnen gab es wohl keinen, der nicht den heimlichen Wunsch hegte, mit ihr zusammenzusein. Das Dorf, in dem sie lebte, lag, wie der Name schon sagt, auf einem Berg, deshalb hatte Margarethe bald ihren Spitznamen weg: Die Leute nannten sie „Schöngretchen hinterm Berge“.

Nun wäre ihre Schönheit heute sicher kein Problem und das Mädchen hätte ihre Jugend, dank der ihr von Gott gegebenen Äußerlichkeiten, in vollen Zügen auskosten können. Doch sie kam im Jahre 1556 zur Welt, einer Zeit anderer moralischer Vorstellungen, die einem jungen Menschen nur begrenzt Platz für Gefühle ließ. Der Pastor sowie die Obrigkeit wachten, obwohl sie es oft selbst nicht genau damit nahmen, streng über die Sittlichkeit des gemeinen Volkes. Besonders für Mädchen galt, keinen Mann vor der Ehe nahe an sich heranzulassen. Warum und was dabei passieren konnte, darüber allerdings schwieg man sich den Jugendlichen gegenüber weitgehend aus. Fragte Margarethe die Eltern, winkten diese ab und der Pfarrer verdrehte bei entsprechenden Fragen nur die Augen. Rasch schlug er ein Kreuz über die Brust, murmelte etwas von großer Sünde und mahnte ein gottgefälliges Leben an. Aufklärung gab es kaum.

Markt in Zitau

Im Gunde waren die jungen Mädchen damals aber nicht anders als heute. Sie hatten Sehnsüchte und Gefühle, die sie schlecht unterdrücken konnten. Legte es einer darauf an, hatte er aufgrund ihrer Unwissenheit leichtes Spiel. So wie Georg, der 19-jährige Sohn des Zittauer Bürgermeisters Augustin von Kohlo. Seinem Vater gehörte das Gut, welches die Familie Otto gepachtet hatte. Durch diesen Umstand kam der „Schöne Görgel“, wie ihn die Zittauer nannten, mit Margarethe in Kontakt. Angetörnt von ihrer Schönheit suchte er ein schnelles Abenteuer, ohne es freilich ehrlich mit ihr zu meinen. Schöngretchen hingegen nahm seine Avancen ernst und ließ sich bis zum Letzten auf ihn ein. Wie ihr geschah und ob das die „große Sünde“ war, begriff sie jedoch nicht. Auch als es in ihrem Unterleib zu rumoren begann, blieb sie ahnungslos. Einige Monate später schließlich, als die „Schande“ das Tageslicht erblickte, spielten ihre Emotionen verrückt. Mutterliebe auf der einen Seite und pure Zukunftsangst auf der anderen kämpften in ihrem Inneren aufs Heftigste. Von der Familie getrieben, verlor am Ende das Gute und sie ließ sich zum Schlimmsten treiben.

Gericht im 16. Jahrhundert

Da dieses Verbrechen die Sippe des Bürgermeisters tangierte, versuchte der Zittauer Rat bzw. das Gericht, die Sache unter der Decke zu halten und Margarethe Otto schnell zu verurteilen. Die Richter ließen sich zu übertriebener Härte herab, die sogar dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Maximilian II., sauer aufstieß. Er bestrafte daraufhin die Stadt Zittau schwer.

„Schöngretchen hinterm Berge“ ist eine einfühlsame und zugleich erschütternde Geschichte. Wollen Sie diese nebst weiteren Oberlausitzer Begebenheiten in voller Länge lesen, dann holen Sie sich das Buch „Der Tiger von Sabrodt“. Sie erhalten es, wie die anderen Ausgaben der Reihe „Auf historischen Pfaden“, im Buchhandel sowie im Internet.