Von allen Seiten gut sichtbar überragt die Kirche das zweisprachige Land. Auf Deutsch heißt der dazugehörige Ort Hochkirch, auf Sorbisch – abgeleitet von Buk (Buche) – Bukecy. Auf den ersten Blick sieht man es ihm nicht an, dennoch hat das Dorf eine aufregende Geschichte. Oftmals begannen die Ereignisse mit der Nachricht:
„Die Preußen kommen!“
Eben noch mit seinem Kartenwerk beschäftigt, sah der österreichische Feldmarschall Daun seinen soeben hereingeplatzten General Laudon gespannt an. Dessen Truppen hatten vor Kurzem am Nordhang des Czorneboh Stellung bezogen. An jenem 10. Oktober 1758 beobachteten sie, wie die Armee Friedrich II. in langen Kolonnen von Bautzen auf Hochkirch zumarschierte und anhielt. Auf diese Meldung hatte Daun gewartet. Eilig ließ er sein Pferd satteln und ritt mit dem General von seinem Jauernicker Quartier auf geradem Weg zum Pitschenberg. Knapp 2 Tage zuvor hatte er entlang der Linie Lehn, Breitendorf, Spittel bis hin zum Strohmberg Stellung bezogen. Sein Ziel war, mit der K u. K Armee den Vormarsch der Preußen in Richtung Schlesien zu verhindern. Von der soeben erreichten Höhe (heute Wohlaer Berg genannt) beobachtete er, wie Friedrich bis hinüber nach Rodewitz Schanzen ausheben ließ.
„No woart, du Hodalump – iazt hoab i di“, murmelte er im breiten Wiener Dialekt und schob sein Fernrohr zusammen.
Zurück im Hauptquartier befahl er seine Kommandeure heran und entwarf mit ihnen einen genialen Schlachtplan.
Der Preußenkönig Friedrich II. (heute gern „Friedrich der Große“ oder „Alter Fritz“ genannt), wollte die Gefahr, trotz Bedenken seiner Generäle, nicht wahrhaben. Besonders Generalleutnant von Seydlitz warnte ihn:
„Majestät, die Österreicher sind doppelt so stark und wir liegen vor ihnen wie auf dem Präsentierteller.“
„Außerdem“, erklärte er mit dem Finger auf die Karte zeigend, „erstreckt sich an unserer rechten Flanke eine Bergkette mit dichtem Hochwald und hinter uns stehen am Czorneboh die Truppen des General Laudon“.
Im Weggehen soll er noch gesagt haben:
„Die Österreicher verdienten gehängt zu werden, griffen sie uns in solch günstiger Situation nicht an.“
Damit sprach er dem Feldmarschall von Daun aus der Seele. Vom Feind unbemerkt, ließ er innerhalb 4 Tagen über den Hochstein sowie den Sornßiger Berg einen Weg durch den Wald schlagen. Seine Panduren (Kroaten im Dienste Österreichs) lenkten die Preußen währenddessen mit Scheinangriffen ab. Am 14. Oktober kam es in der Frühe zur entscheidenden Schlacht.
Es war ein nasskalter, nebliger Sonnabendmorgen, als um 5 Uhr die Kirchturmglocke das Angriffszeichen gab. Die Österreicher überrannten die preußischen Vorposten und griffen Hochkirch aus südlicher Richtung an. Wie vom Blitz getroffen schreckten die Soldaten vom Nachtlager und rafften ihre Sachen zusammen. Bevor die Schlaftrunkenen begriffen, waren sie vom Feind umringt. Ein furchtbares Hauen und Stechen begann, Säbel klirrten aneinander, Schüsse krachten und Kanonenkugeln donnerten todbringend in die Gebäude. Dazwischen das entsetzliche Geschrei der Verwundeten. Egal ob Soldat, Bauer, Frau oder Kind – vor keinem machte der Kriegsteufel halt. Wer von den Dorfbewohnern es schaffte, flüchtete in die Nachbarorte. Von dort aus mussten sie mit ansehen, wie Haus um Haus sowie all ihr Hab und Gut verbrannte. Derweil behielten die Österreicher durchweg die Oberhand. Langsam drängten sie die Blauröcke in Richtung Pommritz zurück. Lediglich das Friedhofsareal wurde vom Bataillon des Majors von Langen bis zur letzten Kugel gehalten.
Auch die aus Richtung Norden vom Feldmarschall von Keith vorgebrachten Gegenangriffe brachten wenig. Er selbst fiel und wie Friedrich II. anstatt des Marschalls höchstpersönlich das Kommando übernahm, schoss ihm ein Österreicher das Pferd unter dem Allerwertesten weg. Ihm blieb nichts anderes übrig, als humpelnd die Reste seiner Armee zu sammeln und sich in den Vormittagsstunden Richtung Purschwitz, Kreckwitzer Höhen zurückzuziehen.
Für Feldmarschall von Daun hatte sich die Sache damit erledigt.
„A gwonnenes Schlachterl“, soll er lapidar gesagt haben.
Auf eine Verfolgung sowie Festnahme des Preußenkönigs – also den vollständigen Sieg – verzichtete er. Umso mehr schmerzt die menschliche Tragödie. Rund 17.000 Leben waren zu beklagen, Hochkirch lag in Schutt und Asche, das Tränenmeer war übergroß. Der heldenhafte Spruch: ‚Für Kaiser, König und Vaterland‘ dürfte weit an den einfachen Leuten vorbeigegangen sein. Ihre Opfer dienten den Interessen anderer und fielen beim Spiel der Fürsten wenig ins Gewicht.
Die Bewohner Hochkirchs brauchten einige Zeit, bis sie ihr Dorf wieder hergerichtet hatten. Kaum ein Anwesen war versehrt geblieben. Auch das Pfarrhaus mit all seinen Akten fiel den Kampfhandlungen zum Opfer. Glücklicherweise war es nicht bewohnt, denn der alte Pfarrer Johann Friedrich Lange verstarb im November 1757. Erst 1759 kam Pfarrer Georg Janke von Kotitz hierher und baute das Haus 1764 wieder auf. Nun – mittlerweile war der 4. September anno 1813 ins Land gegangen – stand sein Sohn Carl Gottlieb mit sorgenvoller Mine am Fenster des Pfarrgebäudes. Erneut lagerten jede Menge Soldaten in der Gegend. Hier in Hochkirch waren es Franzosen und drüben am Wohlaer Berg, anstatt wie vor 55 Jahren Österreicher, die Preußen. Gerade gestern hörte er aus dieser Richtung Gefechtslärm. Zwangsläufig musste er an die Erzählungen seines Vaters denken, daran, wie viele Menschen umkamen und wie sie zu Hunderten auf der sogenannten Blutgasse an der Friedhofsmauer lagen. Dazu kam, dass vor nur 3 1/2 Monaten eine heftige Schlacht im Norden von Hochkirch wütete, die der Kaiser der Franzosen, Napoleon Bonaparte, persönlich leitete. Eben hatte er erfahren, dass namentlich dieser sich wieder in der Gegend herumtrieb. Für das Dorf verhieß das nichts Gutes. Zuerst natürlich für ihn, denn er war Ansprechpartner und Amtsperson in einem. Stets zeigte er Präsenz. Er taufte, traute, begrub, hörte sich die Sorgen der Leute an und schlichtete so manchen Streit. Ein zweites 1758 – bei Gott nein – das konnte er nicht brauchen!
Zum Glück kam es nicht soweit. Napoleon hatte zwar eine Entscheidungsschlacht gesucht, jedoch die Preußen unter Blücher wichen aus und zogen sich in Richtung Reichenbach zurück. Am Nachmittag kam es noch zu einem heftigen Gefecht am Wohler Berg, das war alles. Einige Unannehmlichkeiten musste die Pfarrersfamilie in der Nacht vom 4. zum 5. September trotzdem hinnehmen. Sie bekam höchsten Besuch, denn Napoleon persönlich stieg in der Pfarre ab.
Wer das Land um Hochkirch besucht, findet hier jede Menge Denkmäler und Hinweise auf diese Zeiten.
Zum einen wäre die Kirche in Hochkirch selber. In ihr können Sie eine von Musketenkugeln durchschossene Tür, das alte eiserne Werk der 1758er Kirchturmuhr, ein Denkmal für Feldmarschall Keith und anderes mehr bewundern.
Auch im Außenbereich gibt es viel zu sehen: so etwa den Kirchhof mit verschiedenen Obelisken sowie angrenzend die historische Blutgasse.
Der kulturhistorische Verein „Alter Fritz Hochkirch/Bukecy e. V.“ lädt Sie außerdem zu einer Stippvisite in sein kleines Museums auf der Schulstraße 4 ein. Termine sprechen Sie bitte vorher ab.
Schreiben Sie eine Mail an: bpihsner@hotmail.com
Homepage: http://www.alterfritz-hochkirch.de/Willkommen.html
Ebenso ist das Gebiet um Hochkirch gespickt mit Erinnerungen an die Napoleonzeit 1813. Manchmal offen und repräsentativ manchmal versteckt und unscheinbar erinnern stumme Zeitzeugen an die Befreiung der Deutschen vom napoleonischen Joch. Einmalige Ausstellungsstücke hierzu finden Sie im Museum Napoleonzeit 1813 in der Gemauerten Mühle in Bellwitz bei Löbau. Termine bitte auch hier nach vorheriger Absprache:
Tel.: +49 (0)3585 86 01 16, Mail: kontakt@napoleonzeit1813.de
Homepage: http://napoleonzeit1813.de/
Historische Geschichten aus der Oberlausitz- spannend, unterhaltsam, emotional erzählt.
Infos direkt auf der Seite des Autors.
Bücher:
Der Tiger von Sabrodt
Das behexte Lenchen
Verratene Liebe
Der Selbstmörderteich