Dr. des. Marius Winzeler
Zittau galt einst als „die Reiche“ unter den Oberlausitzer Städten und war in ganz Sachsen durch Handel, Luxusprodukte und florierende Finanzgeschäfte berühmt. Auch heute verfügt die Stadt über großartige kulturelle Schätze von einzigartigem Rang. Zittau besitzt wertvolle Bauten aus acht Jahrhunderten und ein Stadtbild von seltener Geschlossenheit. In den Kirchen, im einstigen Franziskanerkloster und in stolzen Bürgerhäusern werden Kunstwerke höchster Qualität gehütet. Allen voran bilden die Zittauer Fastentücher ein Ensemble von Weltgeltung – nirgendwo sonst sind heute ein mittelalterliches Fastentuch und ein solches aus der Zeit der Renaissance an einem Ort zu erleben, 2009 sogar noch ergänzt durch ein modernes Fastentuch, das jeweils während der Fastenzeit in der katholischen Pfarrkirche Mariä Heimsuchung zu sehen ist.
Die Zittauer Bibel, das Große Zittauer Fastentuch von 1472, zeichnet sich durch seine 90 Bilder aus dem Alten und Neuen Testament aus. Es wurde geschaffen, damit es als Bilderwand in der Fastenzeit vor Ostern in der Kirche den Blick auf das Geschehen am Altar verdeckt. Seine Bilderfolge sollte zum meditativen Nachdenken anregen. Der unbekannte Künstler hat eine ganz eigene Form der Erzählung gefunden: Knapp und sehr anschaulich schildert er die biblischen Geschehnisse, erläutert von gereimten Versen. In wundervoller Poesie ist die Schöpfungsgeschichte gemalt, aber auch das Leben der Maria und die Passion Christi fanden eine unübertroffene künstlerische Umsetzung. Auftraggeber dieses Kunstwerks war ein reicher Gewürzhändler. Im 20. Jahrhundert erlitt das Tuch infolge von Auslagerung und Missbrauch schwere Schäden. Nach seiner glücklichen, kostenlosen Restaurierung in der schweizerischen Abegg-Stiftung hat das Große Zittauer Fastentuch 1999 in der Kirche zum Heiligen Kreuz einen würdigen Präsentationsort erhalten. In der größten Museumsvitrine der Welt zog es seither schon über 300.000 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt in seinen Bann.
In der Bedeutung steht diesem Großen Fastentuch das Kleine Zittauer Fastentuch nicht nach: Es ist das einzige solche sakrale Ausstattungsstück, das nach der Reformation im Auftrag einer evangelischen Gemeinde entstanden ist. 1573 wurde es zur Verhüllung des neuen protestantischen Altars der Zittauer Hauptkirche St. Johannis geschaffen. Gerahmt von den Leidenswerkzeugen steht ein ergreifendes Bild des Kreuzigungsgeschehens in seinem Zentrum. Gleichfalls in der Schweiz als Geschenk für Zittau restauriert, erhielt es im Komplex des ehemaligen Franziskanerklosters 2005 einen eigenen Ausstellungsraum, wo es seither seine starke Ausstrahlungskraft entfalten kann.
Zweifellos stellen die beiden Fastentücher den kostbarsten Schatz dar, den die Stadt Zittau in ihren mauern hütet. Doch darüber hinaus bieten die Städtischen Museen zahlreiche weitere einzigartige Zeugnisse einer langen Tradition und eines großen Kunstsinns. Ihre Geschichte setzt bereits im Jahr 1709 ein, als die Wunderkammer der Zittauer Ratsbibliothek in einem eigenen Barocksaal im so genannten Heffterbau am ehemaligen Franziskanerkloster eingerichtet wurde. Damit gehören die Städtischen Museen Zittau zu den ältesten bürgerlichen Museen Mitteleuropas. Als eigene Institution und damit als erstes Stadtmuseum Sachsens wurde die Institution 1854 gegründet. Zu den bis heute erhaltenen barocken Raritäten fügte der Zittauer Historiker Christian Adolph Pescheck seine Altertümersammlung hinzu. Seither wurden die Bestände ständig erweitert und erhalten jedes Jahr kostbare Neuzugänge als Geschenke, Stiftungen, Spenden und Ankäufe.