In wenigen Tagen beginnt der Sommer. In vielen Kulturen ist das ein Grund zu feiern. Im deutschsprachigen Raum beispielsweise entfachen die Menschen gern Johannisfeuer. Bei uns geschieht das nur noch vereinzelt. Schade eigentlich, denn vor Jahrhunderten verbanden gerade die Oberlausitzer das Ereignis mit zahlreichen Bräuchen und Sagen. Zeit, sich ihrer zu erinnern.

von Arnd Krenz

Christlicher Glaube und heidnische Bräuche

Es sind nicht allein die berühmten englischen Steinkreise. Überall in der Welt brachten Archäologen Reste steinzeitlicher Megalithanlagen ans Tageslicht. Die Bauten bezeugen, dass Menschen bereits in frühen Kulturen astronomische Beobachtungen anstellten. Sie wussten vom Lauf der Gestirne, kannten Sommer- und Wintersonnenwende. Meist verbanden sie diese himmlischen Erscheinungen mit Göttern. Um sie anzurufen, entstanden Zeremonielle und Bräuche. Lodernde Feuer spielten hierbei eine große Rolle. „Diese heidnischen Rituale“, meinten Vertreter der christlichen Kirche später, „können wir nicht einfach ausmerzten“. Vielmehr galt es, sie liturgisch sinnvoll in der neuen Religion zu verankern. Ein Heiliger kam den Kirchenoberen dabei gerade recht. Es war Johannes der Täufer, ein um 28 n. Chr. in Galiläa uns Judäa lebender Bußprediger. Er rief die Menschen zur Umkehr auf und kündigte das Gottesreich an. Den Christen gilt Johannes deshalb als Wegbereiter ihrer Kirche. Nicht um so weniger, weil er dem Markusevangelium nach Jesus Christus am Jordan getauft haben soll.

Da das Geburtsdatum Johannes des Täufers unbekannt war, legte man es kurzerhand auf den 24. Juni. Ob bewusst oder unbewusst, der Feiertag zu Ehren Johannes lag kalendarisch nun kurz nach der Sommersonnenwende. Ein Grund, die Gläubigen anzuhalten, ihre Feuer doch lieber in der Nacht zum 24. Juni anzuzünden. Diese Praxis setzte sich durch und aus dem heidnischen Brauch war faktisch ein Christlicher geworden.

Sagenhafte Orte, Blumen, Querxe und andere Gestalten

In früheren Jahrhunderten war der Glaube an geheimnisvollen Kräfte und die Allmacht Gottes tief in den Menschen verwurzelt. Der Gehannstag, Gehannsoobt oder Hannsoobt, galt in unserer Heimat als Begriff für einen Tag, an dem nicht nur der Sommer Einzug hielt, sondern auch wundersame Dinge geschahen. Innig mit ihren Tieren, Wäldern und Feldern verbunden, standen die Leute im wahrsten Sinne mit beiden Beinen auf der Erde. Sie lebten von dem, was die Natur gab und starben, wenn sie es ihnen nahm. Kein Wunder also, dass sie an solchen Tagen hofften, beteten und vielen zu diesem Zeitpunkt reifenden Pflanzen den Namen des Festtages gaben. Das Johanniskraut, die Johannisbeere und -blume sowie die Johanniskerze, sind nur einige von ihnen. Teilweise schrieben die Menschen den Pflanzen mystische Kräfte zu. So soll jedes Jahr am Johannistag eine Gruppe Wenden (Sorben) auf dem Valtenberg bei Neukirch erschienen sein. Sie gruben eine Pflanze aus, deren Wurzel sie zu glücksbringenden Amuletten verarbeiteten. Die Sorben nannten das Gewächs „Der heiligen Maria Wurzel“. Heute wird sie „Vielblütiger Weißwurz“ genannt und noch immer sagen ihr die Leute außergewöhnliche Kräfte nach. Mancher hoffte sogar, an Johannis imaginäre Zaubergewächse zu finden: Beispielsweise ging das Gerücht um, auf dem Valtenberg solle es ein unsichtbar machendes Farnkraut geben sowie auf dem Löbauer Berg eine betörend schöne Wunderblume, die vermochte, Menschen reines Gewissens den sehnlichsten Wunsch zu erfüllen.
Doch nicht nur Pflanzen konnten Außergewöhnliches bewirken. Viele Sagen berichten von Orten, die in der Johannisnacht bzw. am Johannistag einzelnen Menschen Glück und Reichtum bringen. So öffnet zum Beispiel der Geldkeller auf dem Löbauer Berg in der Johannisnacht für kurze Zeit seine Pforte, unter dem Reinhardtsberg bei Kamenz kann man eine mit Gold gefüllte Braupfanne finden, in Görlitz den verborgenen Landeskronenschatz und in Oybin erscheint ein Männlein, das an vergrabene Schätze im Hochwald führt. Geheimnisvolle Steinmänner tauchen an Johannis auch in den Königshainer Bergen auf und am Valtenberg beschenken gutmütige Zwerge – von den Einheimischen Querxe genannt – Vorbeigehende mit Kugeln aus purem Gold. Ob das heute noch der Fall ist? Nun ja – wer sucht, der findet! Machen Sie sich einfach mal auf den Weg. Einige Orte sind hier verraten. Vielleicht klappt es und Sie haben ab diesen Sommer für immer ausgesorgt.

Knisternde Flammen, Feuerregen und gute Wünsche

Während die Suche nach dem „Schatzhauser im Tannenwald“ in den seltensten Fällen gut geht, könnten Sie mit dem Anzünden eines Johannisfeuers schon mehr Erfolg haben. Seit uralter Zeit wurde dieser Brauch von unseren Vorfahren in der Oberlausitz gepflegt. Leider ist er in den letzten Jahrzehnten weitgehend in Vergessenheit geraten. Glücklicherweise kommen immer mehr Leute zusammen, die ihn nach und nach wieder beleben. Das ist schön, denn gerade mit dem Feuer verbinden die Menschen Wärme, Schutz, Kraft und Gemeinschaft. Früher legte das einfache Volk seine gesamten Wünsche und Hoffnungen in die knisternde Glut. Johannisfeuer sollten eine reiche Ernte bescheren, Dämonen abwehren, Viehschäden und misswüchsige Kinder verhindern. Die Wirkung des Feuers stieg, sprangen Jungen und Mädchen über die Flammen, tat das ein Paar gemeinsam, war liebendes Zusammensein bis zum nächsten Sommer gesichert. Besonders die Burschen warteten sehnsüchtig auf den „Hannsoobt“. Lange vorher sammelten sie abgekehrte Besen und trugen diese zur Feuerstelle. War ein Stiel bis auf einen kleinen Rest abgebrannt, schleuderten sie ihn in die Luft. Je mehr Stile sie höher als die anderen warfen, desto mehr Aufmerksamkeit und Beifall bekamen sie vom weiblichen Geschlecht. Ein herrliches Schauspiel: Ringsum auf den Bergen loderte es und glühende Schlangen flogen weithin sichtbar in den Nachthimmel. Die Menschen rückten zusammen, nahmen sich bei den Händen und tanzten am Feuer. War der Vorrat an Besen und Holz aufgebraucht, gingen sie schweigend und glücklich nach Hause. Heute wussten sie: „Das Jahr nimmt ein gutes End, wenn das Johannisfeuer brennt.

 

Lesen Sie jetzt auch das neue Buch „Auf historischen Pfaden“, Geschichten und Sagen aus Löbau: