Heute ist die Kirche am Obermarkt reich an wertvollem Inventar, doch in früheren Zeiten galten Gotteshaus und Kloster den Görlitzern als Ort der Armut und Besitzlosigkeit, aber auch der Ordenszucht und Bildung. Was von diesen Tugenden der Franziskaner ist uns geblieben? Zumindest die Turmuhr mahnt eisern noch zur Pünktlichkeit.

Eine Kirche pro memoria Mariä Himmelfahrt und des Franziskus von Assisi

Altes Kloster, heute Gymnasium

Beinahe 800 Jahre ist es her, da begannen die Franziskaner anno 1234, sich am Westeingang von Görlitz ein Kloster zu errichten. Eigentlich taten sie das viel lieber innerhalb schützender Mauern, doch erstens bekam der Orden hier Land geschenkt und zweitens hatten die Mönche zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon gehört, dass die Görlitzer ihre Stadtanlage nach Westen hin erweitern wollten. Genauso geschah es auch, nachdem der Bischof von Meißen am 21. August 1245 ihre Kirche pro memoria Mariä Himmelfahrt und des Heiligen Franziskus von Assisi geweiht hatte. Görlitz vergrößerte sich um das Areal des Obermarktes bis zum Reichenbacher Tor. Kloster und Kirche lagen nunmehr inmitten einer fast doppelt so großen Stadt. Offensichtlich Grund genug für den Ordensvostand, an diesem bedeutenden Ort der späteren Oberlausitz ein Partikularstudium einzurichten. 8 bis 10 Brüder lernten fortan fleißig hinter den Mauern des Klosters. Nach Zucht und Redlichkeit des Gelübdes der Franziskaner entstand ein Hort der Wissenschaft, dessen Bibliothek bis Ende des 15. Jahrhunderts auf über 300 Bücher anwuchs. Leider befindet sich heute keines von ihnen mehr in Görlitz. Sie stehen nahezu vollständig in der Universitätsbibliothek Breslau.

Armut und Ordenszucht zum Vorteil der Stadt

Klosterkirche, heute Dreifaltigkeitskirche

Die Görlitzer lebten recht gut mit ihren Franziskanern. Was Rat und Bürgern besonders zupasskam, war ihr Armutsgelübde. Die Ordensbrüder lehnten jedweden Besitz ab und nahmen folglich auch nicht am Geldverkehr teil. Ein Umstand, der sie zum Überleben eng an die Stadt band. So verwaltete der Rat beispielsweise sämtliche Besitztümer des Klosters. Die Stadt profitierte davon, und weil das Armutsgebot nicht nur Ordensbrüder, sondern alle im Kloster lebenden Konventen betraf, hoffte sie, diesen durch neue Bewohner ständig erweitern zu können. Ärger stand jedoch ins Haus, als sich unter den Franziskanern die Observanzbewegung breitmachte. Deren Reformer drangen auf strenge Beachtung der ursprünglichen Regeln, wollten den Orden zentral verwalten und ihn gänzlich von den Städten lösen. Wie andere auch mischten sich die Görlitzer kräftig ein und so kam es, dass 1462 „ihr“ Kloster im Sinne des Armutsgelübdes zwar reformiert wurde, ansonsten aber alles beim Alten blieb. Vor allem der Gemeinschaftsbesitz blieb den Mönchen, ganz im Sinne der Stadt, weiterhin erlaubt. Der Franziskanerorden war von da ab in Observanten und Minoriten geteilt. In den folgenden Jahren achtete der Görlitzer Stadtrat einerseits sehr an der Einhaltung der Ordenszucht, andererseits aber versuchte er jede Annäherung an die Observanten zu verhindern. In dieser Zeit entstand sicher auch die Sage vom Klötzelmönch →

Von der Klosterschule zum Gymnasium

Altes Kloster, heute Gymnasium

Nachdem die Reformation in der Oberlausitz Fuß gefasst hatte und ab 1521 die ersten Görlitzer Bürger lutherische Predigten zu hören bekamen, war es vorbei mit der profitablen Symbiose zwischen Stadt und Kloster. Die Franziskaner verließen nach und nach die Gegend. Ihr letzter Vertreter, Urban von Weißbach, übergab die Klostergebäude 1563 an die Stadt. Er machte ihr zur Bedingung, sie möge dort, so wie es auch bei den Minoriten Sitte war, eine Schule einrichten. Der Forderung entsprechend bezog 1565 die evangelische Lateinschule das verlassene Areal. Zum ersten Rektor erhob die Stadt einen Freund Philipp Melanchthons, Petrus Vincentius. Lediglich mit Unterbrechung im Dreißigjährigen Krieg lernten am Klosterplatz nun Generationen Görlitzer Mädchen und Jungen das Rechnen, Schreiben, Lesen sowie, nicht zu vergessen, den großen bzw. kleinen Katechismus des Martin Luther. Ende des 18. Jahrhunderts zum Gymnasium Augustum erhoben, galt die Bildungseinrichtung den Oberlausitzern lange Jahre sogar als Zentrum der Wissenschaftspflege. Und da der Zahn der Zeit 600 Jahre lang arg an den alten Gemäuern genagt hatte, entschloss man sich 1856, ein neues, der Bedeutung dieser Bildungsstätte angemesseneres, Schulgebäude zu bauen. Noch heute erwerben hier Hunderte Mädchen und Jungen ihr Abitur. Allerdings nicht nur am Gymnasium Augustum, sondern seit August 2004, infolge des Zusammenschlusses zweier Oberschulen, am Augustum-Annen-Gymnasium.

Am Mönch orientieren heißt pünktlich sein

Uhr am Glockenturm

Natürlich blieb ebenso die Kirche nach dem Auszug der Mönche nicht leer. Sie diente jetzt als Schulgotteshaus, erhielt 1712 eine eigene Pfarrei und wurde 1715 nach dreijähriger Renovierung der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht. Markant überragt sie den Görlitzer Obermarkt und besitzt zahlreiche wertvolle Inventarstücke. Ursprünglich war sie jedoch nur eine kleine, bescheidene und einfach eingerichtete Saalkirche. Das ist keineswegs verwunderlich, denn entsprechend des Armutsgedankens der Franziskaner durfte solch ein Bethaus nicht allzu üppig und höher als 30 Fuß ausfallen. Im 14. Jahrhundert indes änderten sie ihre Meinung und erweiterten ihre Kirche um einen gotischen Chor sowie einen Glockenturm. Letzteren nannten die Görlitzer Bürger gern den „Mönch“. Vielleicht unter anderem deshalb, weil er sie, nach Lebensart der Mönche, stets an Pünktlichkeit erinnerte. Seine Uhr geht nämlich permanent 7 Minuten vor, was im Mittelalter hauptsächlich die Stadtwache zum rechtzeitigen Dienstantritt bewegen sollte. Im Innenraum fällt dem Besucher sofort der barocke Hochaltar sowie eine mit Darstellungen der Apostel verzierte Kanzel auf. Der von Caspar Gottlob von Rodewitz angefertigte Altar kam bei der Renovierung Anfang des 18. Jahrhunderts

Dreifaltigkeitskirche Hochaltar. Bild: Hans Peter Schaefer, www.reserv-a-rt.de

in die Kirche. Für ihn musste der alte Flügelaltar, genannt die „Goldene Maria“, weichen. Sie steht heute in der Barbarakapelle. Geöffnet zeigt sie Maria inmitten einer Folge von Weihnachtsbildern und geschlossenen einen Passionszyklus. Die aus dem Jahre 1520 stammende „Goldene Maria“ gilt derzeit als schönster spätgotischer Flügelaltar in der Oberlausitz. Aber nicht nur dieses historische Kleinod, der Hochaltar oder die Kanzel machen die Görlitzer Dreifaltigkeitskirche sehenswert. Wen der Weg einmal auf den Görlitzer Obermarkt führt, der sollte ruhig auch einen Abstecher in das fast ganzjährig geöffnete Gotteshaus einplanen. Wie es so oft im Leben ist: Die schönsten Dinge sieht der Mensch erst auf den zweiten Blick …